Morgenstern und seine Galgenlieder
Jiří Janíček
9. Februar 2010, 12. März 2010
Německá literatura 1880 – 1920
Christian Morgenstern
Christian Morgenstern, mit dem vollen Namen Christian Otto Josef Wolfgang Morgenstern (* 6. Mai 1871 in München; † 31. März 1914 in Meran, Villa Helioburg, Untermais)[1] ist vor Allem als einer der bedeutensten Vertreter der Nonsenslyrik und Absurdkomik bekannt. Sein Werk ist aber viel mehrs breiter. Den Namen "Wolfgang" hat ihm seine Mutter zur Ehre Wolfgang Amadeus Mozarts gewählt.
Morgenstern stammt als einer künstlerischen Familie: sein Vater, ebenfalls wie Großvater, war Landschaftsmaler. Nach Gymnasium in Breslau und Sorau (polnisch Żary); beide Städte liegen heute in Polen, im Teil, das bis 1945 zum Preußen gehörte) studierte er (wieder in der Hauptstadt der Woiwodschaft Niederschlesien) Nazionalökonomie (Volkswirtschaft). Philosophisch war er mit den Ansichten Arthur Schopenhauers beinflusst, zeitweise hat er sich auch den buddhistischen Gedanken gewidmet. Mit seinen Freunden gründete er die Zeitschrift Deutscher Geist unter dem Motto „Der kommt oft am weitesten, der nicht weiß, wohin er geht“, einem Zitat, das Oliver Cromwell zugesprochen wird. 1893 schrieb er eine humoristische Studie Sansara (Sansara oder Samsara bezeichnet in einigen östlichen Religionen das Konzept der Reinkarnationen, wörtlich "beständiges Wandern"). Seit dem selben Jahr hat er auch zum ersten Mal an Lungenleiden (Tuberkulose) erkrankt, was ihn sein ganzes Leben begleiten wird. Während der Reisen nach Skandinavien begegnet er Henrik Ibsen (1898) und Edvard Grieg (1899), Authoren des Peer Gynt, dessen er übersezt. Ab 1909, wann er eine Vorlesung von Rudolf Steiner, dem Gründer der Anthroposophie, in Berlin gehört hatte, ist er zu einem Bewunder von diesem geworden sein, ist sogar auch durch ganz Deutschland gereist, um seine nächste Vorlesungen hören zu können. Auch nach der Spaltung der Theosophischen Gesselschaft in Jahren 1912 und 1913 hat sich Morgenstern zur Steiners Seite (neu gegründete Anthroposophische Gesellschaft) hingeneigt.
Seit 1988 ercheint Morgensterns 7-bändiges Sammelwerk (bis jetzt (2009) sind erste fünf Bände herausgekommen). Von seiner anderen Werken ist aus der sprachlichen Sicht interessant z. B. der Name des Werkes Ein Butterbrotpapier im Wald (1910). (Butterbrotpapier ist eine umgangsprachliche Bezeichnung für den Pergamentersatz (fachliches Ausdruck), ein Papier, aus dem Butterbrotbeutel (svačinové sáčky) erzeugt sind.)
Morgenstern hat sich auch der übersetzerischen Arbeit gewidmet; hat u.A. sozial kritische und in ihrer Zeit kontroverse skandinavische Authoren übersetzt, wie August Strindberg (Schwede) und Bjørnstjerne Bjørnson, Knut Hamsun und Henrik Ibsen (alle Norweger). (Zwei von diesen vier erhielten den Nobelpreis: Bjørnson in 1903, Hamsun 1920.) Während seines Lebens hat er sich in verschiedenen Kurorten Europas mit Tuberkulose kuriert. An Tuberkulose ist er auch gestorben, nachdem man in einem Sanatorium in Arco (unfern vom Gardasee) für einen unheilbaren Zustand abgelehnt hat ihn zu empfangen.[2] Er starb am 14. März (mit seinem Galgenlieder-Umbenennung Nerz) 1914 in Meran (Südtirol). Später wurde die Urne mit seiner Asche ins Goetheanum[3] und ( (Hauptquartier der Anthroposophischen Gesellschaft) nach Dornach übertragen.
Das Wort Morgenstern hat der Brockhaus-Enzyklopädie sowie dem Duden-Universalwörterbuch nach zwei Bedeutungen:
1. als auffallend hell leuchtender Stern erscheinender Planet Venus am östlichen Himmel vor Sonnenaufgang und
2. eine (im Mittelalter verwendete) Schlagwaffe.[4]
Nach BEHEIM-SCHWARZBACH ist der Morgensterns Name ein Nomen-Omen.[5]
Galgenlieder (Šibeniční písně)
Galgenlieder ist eine Nonsensgedichtsammlung, an der Morgenstern ab 1895 arbeitete, 1905 ist die im Druck erchienen. Sie wird zum bekanntesten Werk Morgensterns. Deutsch sind sie mehrmals erschienen, und zwar entweder unter dem Titel Galgenlieder, oder (seit 1932) als Alle Galgenlieder, wenn die Ausgabe auch Sammlungen Palmström (1910), Palma Kunkel (1916) und Gingganz (1919) enthält. Ins Tschechische wurde sie von Josef Hiršal (1958; 1990 mit Bohumila Grögerová in der Kollektion Beránek měsíc, 2000 auch mit Grögerová als Písně šibeničních bratří) und Egon Bondy (1951, einige Gedichte erchienen später inedit, im Druck erst 2000, Eigenname Zbyněk Fišer) übersetzt. Einzelne Gedichte haben auch z. B. Jaroslav Kvapil, Emanuel z Lešehradu und viele Andere übersetzt (s. Morgenstern v Čechách).
Zu Lebzeiten Authors wurden die Gedichte als „höherer Blödsinn“ oder „Parodien moderner Lyrik“ angeschaut und kritisiert.[6]
Die Galgenlider wurden erst für Authors Freundenkreis geschrieben, nach dem Erfolg im Berliner Kabarett Überbrettl wurden sie aber auch gedruckt. Einige der Galgenlieder wurden auch von Morgensterns Freunde Max Reinhardt und Friedrich Kayßler gesungen.[7]
Der Titel bezieht sich auf den „sog. Galgenberg, der Ausflügern zwischen Werder und Potsdam noch 1910 gezeigt wurde“.[8]
Die Sammlung entspricht dem Motto „Längst Gesagtes wieder sagen, / hab ich endlich gründlich satt“ aus dem Prolog zu In Phanta's Schloß; die Galgenlieder sollen „die sinnlos gewordene Welt einmal auf den Kopf stellen und entspannen“.[9]
Die Sammlung ist „dem Kinde im Manne“ gewidmet, mit Berufung auf das Zitat aus Nietzsches Zarathustra „Im ächten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen.“ Dieses Zitat einem sowohl dadaistische, als auch psychoanalytische Assoziationen ausruft, beide sind gerecht. In Morgensterns Nonsenskomik sieht man die kindliche Freude von dem Sein (Dasein) und von der Mißachtung der (kleinstädtischen) Gesellschaft. Die Gedichte der Galgenlieder kann man in drei Gruppen teilen: die rein sprachliche Komik, Nonsenspoesie (die aber immer einen eigenen eigenartigen Sinn hat) und rein graphische, schematische Abbildungen (Kalligramme).
Die bekanntesten Gedichte aus der Sammlung sind wohl Groβe Lalula (Hiršal: Veliké Lalulá) und Kalligramme Trichter (Trychtýře) und Fisches Nachtgesang (Noční rybí zpěv), der im Vorwort von einem fingierten „Lic. Dr. Jeremias Mueller“ als „das tiefste deutsche Gedicht“ bezeichnet wird.[10]
Unikat ist die Broschüre Morgenstern v Čechách : 21 proslulých básní ve 179 překladech 36 autorů, mit Hilfe von dessen man verschiedene Lösungen der einzelnen Übersetzer leicht vergleichen kann (vertreten sind Josef Hiršal, Emanuel Frynta, Egon Bondy, Vladimír Holan und Andere (einschlieβlich eines (z. Z.) Studenten, eines Geologen und eines Finanzberaters).
Beispiele verschiedener übersetzerischen Lösungen einginer Gedichternamen:
- Igel und Agel: Ježek a ježena, Ježek a Ježižena, Pan Jehlík a panna Jáhle
- Gingganz: Šeldocela, Šladocela, Conoha, Šlasi (Hiršal), Jdusi, Dudál
- Walfafisch: Velrybloud (Frynta), Velrybaba (Hiršal), Velvaryba (Bondy), Velvalryba
Wie sich das Galgenkind die Monatsnamen merkt
(d. Jaguar – Zebra – Nerz – Mandrill – Maikäfer – Ponny – Muli – Auerochs – Wespenbär – Locktauber – Robbenbär – Zehenbär.)
Sněden – úhoř. Vezem – buben / Svět ten – čert vem! Na věnec / lupen./ Lháři,/ lži jen!/ Tys dopad!/ Blázinec. (Hiršal)
Leben – tumor – hřezen – blben – kreten – krven – krvenec – kruten – páří – průjem – chlístopad – prsenec. (Měsíce pro větší dítě, asi tak na počátku puberty, Author: Werbetexter Martin Charvát (II))
Mondedinge
Die Namen der Gestalten des Gedichts Mondedinge (tsch. Měsíční věci (Bondy) oder Měsíční tvary (Hiršal)) Tulemond und Mondamin sind wohl Anspielungen sowohl auf den Mond (der im Titel des Gedichtes steht), als auch auf die französische Wörter tout le monde („die ganze Welt; alle“) und mon ami („mein Freund“), evtl. monde (Welt) und monde ami (freundliche Welt / Weltfreund). Dazu „Mondamin“ liest man französisch [mondamán], und genauso liest man auch Wörter monde amant – „Liebhaber Welt“. (Bondy: Lunapark a Lunalena, Hiršal: Luneva a Lunadam; in MvČ gibt dieses Gedicht nicht.) Die ersten zwei Zweizeiler im Original und beiden Übersetzungen lauten:
Mondedinge
Dinge gehen vor im Mond,
die das Kalb selbst nicht gewohnt.
Tulemond und Mondamin
liegen heulend auf den Knien.
Měsíční tvary (Hiršal)
Tvary plynou po luně,
slůně z nich div nestůně,
Luneva a Lunadam
vyjí vkleče bůhvíkam.
Měsíční věci (Bondy)
Na měsíci je věci znát,
jež nezná samo tele snad.
Lunapark i s Lunalenou
vyjí hrůzou na kolenou.
Der Text der Galgenlieder ist erreichbar auch online unter http://www.galgenlieder.com/ oder http://de.wikisource.org/wiki/Galgenlieder
Sprachliche und sachliche Fragen zum Text für Studenten
- Wass heisst "Landschaftsmaler" auf Tschechisch?
- Breslau = ?
- Samsara = ?
- Aufgesogen = ? (pohlcen; Sieb.: Průmysl pohltil...)
- Nerz = ? (ein kleines Raubtier, Pelztier (ne Pelzraubtier: Google, de wiki) (kožešinová šelma) norek)
- Meran (Merano) – Südtirol (Bozen – Bolzano, Bressanone – Brixen) = ?
- Butterbrotpapier – svačinový papír, povoskovaný papír – na sáčky na svačiny, průsvitný papír na obkreslování
- Woran erinnert es euch die Abbildung (die Formen) des Kalligramms Fisches Nachtgesang?
- Der fingierte dr. Mueller (C. M.) gibt zu diesem Gedicht Folgendes an: „Oder Fisches Nachtgesang, der nur aus metrischen Zeichen besteht, welche auf das Auf- und Zuschnappen eines Karpfenmauls erinnern.“ (BEHEIM-SCHWARZBACH, S. 70)
Literatur
KILLY = Autoren- und Werklexikon: Morgenstern, Christian, S. 3. Digitale Bibliothek Band 9 : Killy Literaturlexikon, S. 14238 (vgl. Killy Bd. 8, S. 210)
BEHEIM-SCHWARZBACH, Martin: Christian Morgenstern. Reinbek bei Hamburg : Rowohlt Taschenbuch Verlag 1990.
MvČ: BRUKNER, Josef, KOMERS, Petr (eds.): Morgenstern v Čechách: 21 proslulých básní ve 179 překladech 36 autorů. Praha : VIDA VIDA 1996.
Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. Mannheim 2003 [CD-ROM].
HLWL: Harenbergslexikon der Weltliteratur : Autoren – Werke – Begriffe. 5 Bde.
MORGENSTERN, Christian : Galgenlieder. Praha : LABYRINT 2000. Übers. Egon Bondy.
MORGENSTERN, Christian: Beránek měsíc. Praha : Odeon 1990. Übers. Josef Hiršal und Bohumila Grögerová.
Internet
http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Morgenstern
[1] BEHEIM-SCHWARZBACH, S. 151.153
[2] BEHEIM-SCHWARZBACH, S. 153
[3] BEHEIM-SCHWARZBACH, S. 148-150.153, KILLY, S. 14240
[4] Stichwort Morgenstern in: Duden – Deutsches Universalwörterbuch; Brockhaus-Enzyklopädie nach BEHEIM-SCHWARZBACH, S. 16
[5] BEHEIM-SCHWARZBACH, S. 7
[6] HLWL, S. 1039
[7] KILLY, S. 14238
[8] HLWL, S. 1039
[9] KILLY, S. 14238–14239
[10] BEHEIM-SCHWARZBACH, S. 70